Eine junge Restauratorin erhält den Auftrag, ein übermaltes spätmittelalterliches Bild freizulegen. Bei dieser Arbeit mischen sich zwei gegensätzliche, aber gleichermaßen skandalöse Bilder.

 

 

›Und jetzt sehen Sie sich das an!‹

 

Schwester Agnes legte die Folie über das Bild. Es war eine transparente Kopie des oberen Bildes, und Selina blieb die Luft weg. Sie starrte auf die Komposition der beiden Gemälde und erkannte, dass sie korrespondierten. Die Köpfe im Hintergrund waren aufeinandergesetzt und das raubtierähnliche Pferd hatte sich in die linke Schulter des römischen Schlägers verbissen. Das wollte Selina noch einleuchten, es griff damit einen Peiniger Jesu an. Aber warum waren der Kopf und die linke Hand des Christus so exzessiv und unmotiviert mit Bleiweiß übermalt, als sei hier die Auslöschung allein Ziel der Aktion gewesen, und dabei hatte man nicht gespart.

›Das wollen Sie vernichten?‹, fragte Selina. ›Das ist eine Sensation. Da hat doch nicht einfach jemand eine schon bemalte Tafel benutzt, da sprechen zwei Bilder miteinander.‹

›Sie sprechen nicht, sie kämpfen‹, korrigierte Schwester Agnes, ›und keineswegs miteinander, sondern erbittert gegeneinander.‹

›Kann sein. Aber so was muss man doch erhalten. Das kann ich nicht wegrestaurieren!‹«

 

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